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Lot 959 Dα

Prunkvoller Barockschrank

Auktion 1075 - Übersicht Köln
18.11.2016, 17:00 - Ausgewählte Werke
Schätzpreis: 80.000 € - 100.000 €

Prunkvoller Barockschrank

Nuss, Nusswurzel, Königsholz, Buchsbaum, Ahorn und Elfenbein auf Eiche und Weichholz, gravierte Zinnbeschläge, eingebautes originales Schloss mit drei Riegeln. Zweitürig, drei Pilaster mit fein geschnitzten Kompositkapitellen unter geradem, hohem, mehrfach getrepptem und verkröpftem Kranzprofil. Türen mit Wellenprofil und Wellenfüllung, mittig intarsiert die Allegorien der Temperantia und der Geometrie. In der Sockelzone auf den Basen der Pilaster Blütenzweige, in den Füllungen jeweils vier spielende Kinder auf dreidimensional parkettiertem Boden. Restauriert. H 226,5, B 214, T 86 cm.
Frankfurt, dem Meister Schilling zugeschrieben, nach 1772.

Die Meisterordnung Frankfurts, die ab 1686 Gültigkeit besaß, forderte „[…] neben der gebräuchlichen Fenster-Rahm von denjenigen, so fremd sind und keine Meister Töchter oder Wittiben heurathen, ein künstlicher Kleiderschrank auf dessen Ecken mit frey Seulen versehen, von denen aber so Meister-Söhne seind, oder Meisters Töchter oder Wittiben heurathen, neben der Fenster-Rahm entweder gemeldeten Kleiderschrank oder an dessen Stat ein anderer mit dreyen Seulen oder Columnen angefertiget.“ Dementsprechend entwickelten sich im 18. Jahrhundert die verschiedenen Formen des Säulen-, des Pilaster-, des Wellen-, des Nasen- und des Stollenschranks. Allen gemeinsam war eine lebhafte Oberfläche, die durch den Wechsel von Kehle und Wulst in verschiedene Höhen und Tiefen gegliedert ist. Im Verlauf des Jahrhunderts wurden die Formen wieder etwas "geschmeidiger", wie Heinrich Kreisel schreibt. Es überwogen plane Flächen, die von starken Profilen gerahmt wurden. Der Abschluss war immer flach, mit verkröpftem, stark profiliertem Kranzgesims.

Der Aufbau des Schrankes entspricht nicht nur der Zunftordnung, sondern ist auch geschmacklich noch der Formensprache aus dem Beginn des 18. Jahrhunderts verhaftet. Beim Dekor hingegen ist die Wendung zum Rokoko vollzogen. Die Darstellungen der eingelegten Figuren nach de Bellaigue können nicht vor 1740 entstanden sein und auch die Kleidung entspricht der Mode dieser Zeit. Möglicherweise sind die Marketerietafeln Arbeiten eines Spezialisten. Kreisel vermutet Johann Christian Klang, dem er ähnliche Sujets zuordnen konnte.

Zu dem hier angebotenen Schrank existiert ein Parallelstück in der James A. de Rothschild Collection in Waddesdon Manor. Dieses in den Dimensionen ähnliche, in den Proportionen und dem Dekor gleiche Möbel ist auf der Innenseite einer Tür bezeichnet: "Dieses Meisterstück wurde gemacht im Jahre 1772 vom Schreiner Schilling". Es finden sich gleiche, nur in Details unterschiedliche Marketerien, die Füße und der Schlossbeschlag sind verschieden. Daraus ergibt sich die Annahme, dass es sich um eine direkte Nachahmung des Meisterstücks handelt, die nicht vor 1772 gefertigt worden sein kann.

Zertifikat

Schriftliche Bestätigung von Dr. Ulrich Leben, Associate Curator of the Furniture Collection Waddesdon Manor: "Es handelt sich in der Tat um das Gegenstück zu dem Frankfurter Schrank in den Sammlungen von Waddesdon Manor (Cat. 116, S. 362). Es ist mir bislang das erste Beispiel eines derartigen Prunkschrankes, der als Paar angefertigt wurde."

Literaturhinweise

Vgl. James A. de Rothschild Collection in Waddesdon Manor, Aylsbury ( National Trust), siehe dazu: De Bellaigue, Furniture, Clocks and Gilt Bronzes, Volume II, London, 1974, Nr. 116, S. 562ff.
Vgl. Zinnkann, Frankfurter Wellenschränke, in: Weltkunst Heft 4, April, 1999, S. 698, Abb. 8.
Vgl. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, Band 1, München, 1968, S. 242ff.
Vgl. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, Band 2, München, 1970, Abb. 1041, 1042 und 1044.