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Lot 374 Dα

Okame, den Mond betrachtend. Schwarzes kaki-Holz. 19. Jh.

Auktion 1203 - Übersicht Köln
11.06.2022, 11:00 - Asiatische Kunst
Schätzpreis: 12.000 € - 15.000 €

Okame, den Mond betrachtend. Schwarzes kaki-Holz. 19. Jh.

Sign.: Hôbaisai saku und kaô
Stehend, mit eng zusammengestellten Füßen, hat sie hat den Kopf in den Nacken gelegt und schaut nach oben. Die offen getragenen Haare liegen über dem Rücken. Der Unterrock ist geöffnet, so dass die nackten Beine zu sehen sind, verschämt legt sie die Hände über ihr Geschlecht. An der linken Rockseite Schriftzeilen.
H 7,4 cm

Die Bedeutung des Netsuke erschließt sich weder auf den ersten, noch auf den zweiten Blick. Der Kopf ist nach oben gerichtet, das platte Gesicht ist von nahezu graphischen und wenig ausgearbeiteten Zügen gekennzeichnet, die Brust ist flach, die Brustwarzen jedoch prominent. Das Mädchen drückt durch ihre Haltung Schamhaftigkeit aus. Die anderen Körperteile sind als simple Volumina großflächig konzipiert.

Okame ist ein schwierig zu deutender Begriff, was sich bereits in den verschiedenen Schreibweisen des Namens zeigt. Okame, in Japan besser unter ihrem Namen Otafuku (Verehrtes Vielfältiges Glück) bekannt, gilt als Nachfahrin der mythischen Ame no Uzume no mikoto. Diese soll vor der Grotte, in der sich die Sonnengöttin Ameterasu eingeschlossen hatte, einen lasziven Tanz aufgeführt haben, der die Götter derart belustigte, dass Amaterasu durch deren Lachen aus der Grotte hervorgelockte wurde. Das Kojiki (I,16) beschreibt diese Szene recht plastisch: „[Amenouzume] zog die Warzen ihrer Brüste heraus und zog den Saumbund ihres Gewandes bis an die Scham herab“ (Übersetzt von Karl Florenz, Die historischen Quellen der Shinto-Religion, Göttingen und Leipzig 1919, S. 40).

Im Laufe der Zeit entwickelte sich Uzume zur Figur der Otafuku/Okame, einem Sinnbild enthemmter und sexuell aufgeladener Lebensfreude und ist bis heute eine der populärsten glückverheißenden Figuren des Volksglaubens. Sie wird als Maske oder Glücksbringer pausbäckig und gelegentlich mit offenen Haaren dargestellt und ihr Gesicht steht somit im Gegensatz zu den länglichen Gesichtern und hochgesteckten Frisuren vornehmer Damen und Mütter. Wenn das Gesicht eines einfachen Mädchens oder einer Frau — oft aus der unteren gesellschaftlichen Schicht — einer Okame-Maske (beispielsweise aus dem Kyogen-Theater) ähnelt, wird die Frau als „okame“ bezeichnet. Die Pausbacken werden auch mit den Hinterbacken gleichgesetzt und sogar sprachlich schließt sich okame an okama an, was ein anderes Wort für shiri ist, das Gesäß bedeutet.

Das hier zum Aufruf kommende Netsuke eines drolligen, pummelig ordinären Mädchens ist nicht die Arbeit eines professionellen Schnitzers sondern die eines Amateurs. Aber wie kommt es zu der groß geschriebenen Signatur und dem kaô? Hat er sich vielleicht bereits einen Namen gemacht, vielleicht auf einem anderen Gebiet?

„Sai“ ist eine übliche Endung bei Künstlernamen, oft auch wenn der Inhaber ein gewisses Alter erreicht hat. Zieht man dieses von dem Namen Hôbaisai 芳梅斎 ab, stößt man auf einen Holzschnittkünstler Utagawa Yoshiume 歌川芳梅 aka Hôbai (1819-1879), der in Osaka und Edo gearbeitet hat. Von ihm gibt es Ulk-Bücher (kokkeibon) wie dem „Kotowaza hezo no kadokae“ 諺臍の宿替, Holzschnittserien wie „Kokkei Naniwa meisho“ 滑稽浪花名所 und Alben mit Malereien, in denen Frauen in verzerrten Haltungen, mit breiten, in den Nacken geworfenen Köpfen und mit platten Gesichtern anzutreffen sind. Eine ähnliche Figurenauffassung sehen wir in dem vorliegenden Netsuke. Die beiden Schriftzeilen auf dem Rock zu ihrer Rechten könnten eine humoristische Redewendung oder ein Spruch (kotowasa 諺) sein. Es ist also nicht auszuschließen, dass Hôbaisai der Holzschnittkünstler Yoshiume ist, der zum Zeitvertreib und Spaß dieses Netsuke geschnitzt hat.

Provenienz

Sammlung Raymond (1910-1998) and Frances Bushell, San Francisco (Sotheby’s, New York 21.3.2000, lot 200 (Lot von 3)
Sidney L. Moss, London
Sammlung Theodor (Teddy) Hahn (1933-2012), Darmstadt

Literaturhinweise

Sidney L. Moss, Myth Reality and Magical Transformation, London 2000, Nr. 13
Gabor Wilhelm, On the Continent, in: International Netsuke Society Journal, Jg. 20, Nr. 4 (Winter 2000), S. 30