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Lot 403 Dα

Schatulle mit Einsatz von Abraham Roentgen

Auktion 1220 - Übersicht Köln
17.05.2023, 14:00 - Möbel Kunstgewerbe
Schätzpreis: 12.000 € - 15.000 €

Schatulle mit Einsatz von Abraham Roentgen

Rosenholz, Eiche, Nuss, Nussmaser und Ebenholz auf Kirsche, Messing, graviert, vermessingtes Eisenblech. Oblonge Kastenform mit schrägen Ecken, Klappdeckel und oben befestigtem Bügelgriff. Auf dem Deckel und um vier Seiten umlaufendes feines, schwarz gerahmtes Rautenmosaik. Vorstehende, deutlich abgesetzte Basis auf vier geschweiften Zargenfüßen. Mittels einer Druckfeder zu öffnender, kartuschenförmiger und fein gravierter Schlossbeschlag, dahinter die Schlüsselführung. Eine ähnliche kleine eingelegte Messingkartusche auf dem vorderen Deckel. Herausnehmbarer flacher Einsatz mit abgesetzten Kanten und sechs Fächern. Über einen hexagonalen Druckknopf in der rechten Wandung zu öffnender flacher Geheimschub in der rechten Basis. Mit umgelegtem Klappbügel H 15, B 24, T 19 cm.
Neuwied, 1755 - 60.

Meisterwerke en miniature
Schatullen von Abraham und David Roentgen


Die Produktion von Schatullen gehörte vermutlich schon seit der Gründung der Herrnhaager Werkstatt 1742 zu Abraham Roentgens täglicher Arbeit. Den Typus des elegant mit Edelhölzern furnierten Kästchens hatte er auf seinen Reisen in die Niederlande und nach London kennengelernt. Die Engländer pflegten den teuren, aus Indien und China importierten Tee in ähnlichen, innen verzinkten und abschließbaren Behältern aufzubewahren. Sie wurden caddy set genannt, ein Wort, das sich auf die chinesische Maßeinheit „kati“ bezog. Abraham Roentgen modifizierte Aussehen und Funktion des kolonialen Kästchens und erarbeitete sich damit gewissermaßen in seinem kleinsten Produkt schon ein sehr eigenes und auffälliges Profil.

Millimetergroße, exakt aufeinander abgestimmte Furnierstückchen wurden auf einen Kirschholz- oder Eichenkorpus furniert. Messingbänder betonen die Umrisse, vergoldete Bronzefüße und raffinierte Einlagen steigern den Eindruck des Meisterwerks in Miniaturformat. Quasi zum Markenzeichen wurden die über einen inneren Knopfdruck herausspringenden flachen Seitenschübe in der Basis ebenso wie die kleinen quadratischen Türchen im Schlossbeschlag, die mittels eines Druckknopfs im Boden aufspringen und das Schloss freigeben, um den Schlüssel einzustecken. In Serien hergestellt, besaß jedes einzelne eine individuelle Ausstattung, eine Besonderheit, wie z.B. die kleine, fein gravierte Messingkartusche auf dem Deckel. Die Schatullen wurden in mehreren Größen angeboten und waren nicht ausschließlich für Tee gedacht, sondern für einen beliebigen wertvollen Inhalt.

Heute sind noch ungefähr 100 dieser preziösen Schatullen erhalten, die meisten allerdings im Format kleiner Teekästchen. Bis zur Hamburger Lotterie 1769 war ihr Erwerb ausschließlich der hochadligen Clientèle Abraham Roentgens vorbehalten. Erst die ab Ende der 1760er Jahre erhobene Teesteuer und auch der Geschmackswandel zum Klassizismus ließen die Nachfrage nach den aufwändigen Schatullen sinken.

Zertifikat

Gutachten Dietrich Fabian vom 10. Januar 1997.

Provenienz

Süddeutsche Privatsammlung.

Literaturhinweise

Die abgeschrägte Form mit ähnlicher Marketerie, allerdings mit konkavem Giebeldeckel, bei Fabian (Hg), Roentgen Möbel aus Neuwied. Leben und Werk von Abraham und David Roentgen, Bad Neustadt 1986, S. 283, Abb. 661 - 664.