Gertrude Käsebier

Gertrude Käsebier wurde am 18. Mai 1852 als Gertrude Stanton in Des Moines im US-Bundesstaat Iowa geboren. Ihr Vater betrieb ein Sägewerk in Colorado und profitierte von dem Bauboom, der mit dem Goldrausch einherging. Nach dem unerwartet frühen Tod des Vaters im Jahr 1864 zog die Familie nach New York, wo die Mutter eine Pension eröffnete, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gertrude Käsebier lebte zeitweilig bei ihrer Großmutter mütterlicherseits in Pennsylvania und besuchte dort das Bethlehem Female Seminary. 1874 heiratete sie den deutschstämmigen Geschäftsmann Eduard Käsebier. Die Ehe bewertete Gertrude Käsebier in der Rückschau als unglücklich und erklärte drastisch, wenn ihr Mann in den Himmel komme, wolle sie lieber in die Hölle. Eine Scheidung kam zur damaligen Zeit aber nicht infrage, weshalb beide ab 1880 zwar getrennt lebten, aber verheiratet blieben. Trotz des spannungsreichen Verhältnisses finanzierte ihr Mann der Künstlerin den Besuch einer Kunstschule – da war sie bereits 37 Jahre alt.

Gertrude Käsebier studierte am neu gegründeten Pratt Institute of Art and Design in Brooklyn, wo der Maler, Fotograf und Kunstpädagoge Arthur Wesley Dow (1857–1922) großen Einfluss auf sie ausübte. Ihr bestens vernetzter Lehrer förderte die Karriere von Gertrude Käsebier, indem er ihre Fotografien öffentlich rezensierte und sie mit anderen Künstlern und Mäzenen bekannt machte. Während ihres Studiums kam Gertrude Käsebier mit den Lehren des deutschen Reformpädagogen Friedrich Fröbel (1782–1852) in Berührung, die sie stark beeindruckten und sich später in vielen Mutter-Kind-Fotografien niederschlugen. Auch das britische Arts and Crafts Movement beeinflusste das Schaffen der Künstlerin, die ihr ursprüngliches Interesse am Zeichnen und Malen bald gegen eine Leidenschaft für die Fotografie eintauschte. 1894 ließ Käsebier ihre Töchter in der Obhut ihrer Schwiegereltern und reiste nach Deutschland, um sich mit den chemischen Prozessen hinter der Fotografie zu beschäftigen. In Frankreich studierte sie bei dem Maler Frank DuMond (1865–1951).

Gertrude Käsebier entschied sich schließlich für eine professionelle Fotografenkarriere, als die Familie aufgrund der Erkrankung ihres Mannes vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten stand. Nachdem sie eine Zeit lang als Assistentin bei einem Porträtfotografen gearbeitet hatte, eröffnete sie 1897 ihr eigenes Studio und konnte als Porträtfotografin bald künstlerische und wirtschaftliche Erfolge feiern. Nach einem Besuch der Wild-West-Show von Buffalo Bill begann sie damit, Angehörige der Sioux zu fotografieren. Berühmt wurden ihre Porträts der Häuptlinge Iron Tail und Flying Hawk. Einige ihrer Bilder wurden von Alfred Stieglitz (1864–1946) in der Erstausgabe seines Magazins Camera Work veröffentlicht. Als erste Frau fand Käsebier Aufnahme in der Fotografenvereinigung Linked Ring, die sich der künstlerischen Entwicklung der Fotografie verschrieben hatte. Käsebier hielt auch Vorträge, um andere Frauen zu ermutigen, ihrem Vorbild nachzueifern. Zu den jungen Fotografinnen, die sie inspirierte, gehörten Imogen Cunningham (1883–1976), Laura Gilpin (1891–1979), Consuelo Kanaga (1894–1978), Florence Maynard (1867–1958) und Clara Siprell (1885–1975).

Gertrude Käsebier starb am 13. Oktober 1934 in New York.