Kris Martin

Kris Martin - Ein kreativer Spätzünder gibt seinem Publikum zu denken

Kris Martin wurde 1972 in Kortrijk in Belgien geboren. Die Weltbühne der modernen Kunst betrat er vergleichsweise spät; bei seinem Debüt war er bereits über 30 Jahre alt. Zunächst hatte er erfolgreich ein Architekturstudium absolviert; sein Interesse an der Kunst konnte er jedoch nur schleppend in die Praxis umsetzen. Ein wichtiger Partner und Stützpfeiler für die künstlerische Laufbahn von Kris Martin wurde die Galerie Sies & Höke, an deren Stand auf der Art Cologne er im Jahr 2004 seinen Durchbruch feierte. Ausgerechnet das kleinste seiner dargebotenen Objekte erregte dabei das meiste Interesse: Kris Martin präsentierte eine blankpolierte Kugel, die er schlicht mit 100 years betitelte und mit der Behauptung garnierte, sie würde sich nach Ablauf von 100 Jahren selbst zerstören. Diese Perspektive regte die Fantasie des Publikums an, das sich den Werdegang des Kunstobjekts bis zu seinem fernen Ende ausmalte. Martin liebt es, den Betrachter seiner Kunst zu derartigen Gedankenspielen anzuregen.

Der Künstler als scharfsichtiger Beobachter und Wegweiser

Kris Martin begreift sich nicht als Schöpfer, sondern als Beobachter und Wegweiser. Er will mit seiner Kunst Dinge und Zusammenhänge sichtbar machen, den Zugang eröffnen zu Perspektiven, die von der etablierten Norm abweichen. Dazu gehört auch der Verzicht auf jede Form von Schöpferkult. Martin nimmt sich bewusst zurück, stellt sich in den Hintergrund und lenkt alle Aufmerksamkeit auf sein Werk, dem der Betrachter möglichst ungestört begegnen soll. Dabei gelingt es dem Künstler immer wieder, eine formschöne Ausgestaltung mit metaphysischer Tiefe zu verbinden, ohne dass seine Objekte gekünstelt und manieriert wirken. Für Sammler ist diese Kombination sehr attraktiv und die in meist verschwindend kleiner Auflage hergestellten Kunstwerke sind meist schnell ausverkauft. Nachauflagen stehen dabei nicht zur Debatte und sind meist auch gar nicht möglich, verwendet Kris Martin doch oft einzigartige Fundstücke, die er für seine Zwecke aufbereitet – zum Beispiel eine echt alte Glocke aus der Eifel, die zwar mit mächtigem Schwung geläutet wird, dabei aber niemals einen Ton von sich gibt, weil der Künstler ihr den Klöppel verweigert hat.

Subtile Antwortversuche auf große Menschheitsfragen

Kris Martin arbeitet bewusst mit literarischen Bezügen, so finden sich in seinem Werk Verweise auf Der Idiot von Fjodor Dostojewski oder auch den Don Quijote von Miguel de Cervantes. Geschichten und Geschichte prägen die Arbeit des belgischen Künstlers, der seine Objekte nicht nur nach ihrer äußeren Beschaffenheit, sondern auch nach deren Vergangenheit auswählt. Gebrauchte Patronenhülsen aus dem Ersten Weltkrieg formt Kris Martin zu einem goldglänzenden Berg, der mit Blumendekor verziert ist. Immer wieder spielt auch die christliche Ikonografie eine subtile Rolle in seinem Werk. Es sind die großen Fragen der Menschheit, die der Künstler behandelt: Die Frage nach der Zeit und der Ewigkeit, nach dem Leben, dem Tod, nach Gott. Mögliche Antworten werden nur angedeutet, nie ausgesprochen oder aufgezwungen. Martin will den Betrachter nicht belehren, sondern zum Nachdenken bringen.

Kris Martin lebt und arbeitet heute überwiegend in Gent.