Porzellanmanufaktur Herend

Die Porzellanmanufaktur Herend wurde 1826 in der namensgebenden Stadt Herend in Ungarn von dem Keramiker Vinzenz Stingl (Stingl Vince) aus Sopron (deutsch Ödenburg) gegründet. Anhaltende finanzielle Schwierigkeiten zwangen Stingl jedoch bald dazu, das Unternehmen an seinen Landsmann Moritz Fischer von Farkasházy (Fischer Móric, 1799–1880) zu verkaufen. Fischer verzichtete zunächst darauf, vollständige Speiseservices aus eigener Produktion auf den Markt zu bringen und setzte stattdessen in erster Linie auf ergänzende Stücke für bereits vorhandene Services aus asiatischer und europäischer Fertigung, die sich im Besitz wohlhabender ungarischer Aristokratenfamilien befanden. Diese Strategie brachte den gewünschten und dringend benötigten Erfolg; die gesammelten Erfahrungen und geknüpften Kontakte halfen der Porzellanmanufaktur Herend dabei, auch qualitativ hochwertige eigene Produkte zu entwerfen und auf dem Markt zu positionieren. Die eigenen Kreationen fanden auf den großen Ausstellungen des 19. Jahrhunderts in London, Paris, Wien und New York großen Anklang und wurden vielfach ausgezeichnet.

Die Porzellanmanufaktur Herend konnte alsbald eine illustre Käuferschar für sich gewinnen, darunter die englische Königin Victoria, der österreichische Kaiser Franz Joseph und die angesehenen und einflussreichen Familien Rothschild, Esterházy, Apponyi und Batthyány. Viele Services und Kollektionen wurden auch zu Ehren der prominenten Besteller nach diesen benannt, zum Beispiel das in chinesischem Stil mit blühenden Zweigen und Schmetterlingen verzierte Tafelservice Victoria, das auf der Weltausstellung 1851 in London den großen Preis der Jury gewann. Die Porzellanmanufaktur Herend belieferte in der Folge den Budapester Burgpalast (Budavári Palota), Schloss Gödöllő (Schloss Grassalkovich bzw. Getterle) und Kaiser Maximilian I. von Mexiko. 1869 wurde Moritz Fischer von Farkasházy in Anerkennung seiner Verdienste von König Franz Joseph I. in den Adelsstand erhoben, die Porzellanmanufaktur Herend 1872 zum k.u.k. Hoflieferanten ernannt. Nur zwei Jahre später drohte infolge der Wirtschaftskrise von 1874 und der erstarkenden Konkurrenz jedoch beinahe der Konkurs; 1876 übernahmen Moritz Fischers Söhne die Leitung des Unternehmens, konnten aber den zunehmenden Bedeutungsverlust der Manufaktur und eine Verringerung der Produktionsqualität nicht verhindern.

Die Porzellanmanufaktur Herend wurde 1883 verkauft und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, 1892 sorgte der Einsturz eines Teils der Fabrikhalle dafür, dass die Produktion vorübergehend eingestellt werden musste. Moritz Fischers Enkel Jenõ Farkasházy Fischer setzte in Zusammenarbeit mit ungarischen Jugendstil-Künstlern neue Glanzpunkte, hatte aber immer noch mit wirtschaftlichen Widrigkeiten zu ringen. Die Porzellanmanufaktur Herend war nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der k.uk. Monarchie auf ausländische Investoren angewiesen, stand aber während des Zweiten Weltkriegs unmittelbar vor dem Bankrott und wurde 1948 verstaatlicht. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Porzellanmanufaktur Herend erneut privatisiert, zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten die Mitarbeiter 75 Prozent der Aktien. Bis heute wird nach alten Vorlagen produziert, die um neuere Kreationen ergänzt werden. 2001 wurde die Herender Porzellanmanufaktur anlässlich ihres 175-jährigen Jubiläums zum ungarischen Kulturerbe erklärt.