Timm Ulrichs

Timm Ulrichs ging von Anfang an eigene Wege

Timm Ulrichs wurde am 31. März 1940 in Berlin geboren. Seine Kindheit wurde von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs überschattet: Sein Vater, ein technischer Zeichner, und seine Mutter, eine Stenotypistin, mussten in den letzten Kriegsjahren zunächst nach Prenzlau und beim Einmarsch der Roten Armee in die amerikanische Besatzungszone fliehen. 1954 zog die Familie nach Dresden, wo Timm Ulrichs und seine drei Geschwister die Schule besuchen und ihre Abschlüsse machen konnten. Nach dem Abitur begann Ulrichs zunächst ein Architekturstudium in Hannover, das er aber nach Erlangung des Vordiploms 1966 vorzeitig abbrach. Während er versuchte, als freier Künstler Fuß zu fassen, verdiente er seinen Lebensunterhalt als Tellerwäscher und Eisverkäufer. Mit der etablierten Kunstszene tat sich Timm Ulrichs schwer, weshalb er sich nicht von Galerien vertreten ließ, sondern seine Drucksachen, Plakate und Postkarten selbst verkaufte.

Auf interdisziplinären Pfaden zur »Totalkunst«

Timm Ulrichs pflegt einen interdisziplinären Zugang zur Kunst, orientiert sich an Body Art, Konzeptkunst und Neodadaismus. Das Ergebnis seines Schaffens nennt er selbst »Totalkunst«. Werke wie ein sitzender Stuhl, ein Kopfsteinpflaster aus echten Kopf-Steinen oder eine über mehrere Jahre hinweg entwickelte Fotoserie mit dem paradoxen Titel Fotografieren verboten weisen auf die Themenvielfalt und den originellen Widerspruchsgeist, die Ulrichs' Oeuvre zu eigen ist. Dabei geht es dem Künstler aber nicht um Provokation oder Pointe, sondern um das Infragestellen unreflektierter Gewohnheiten und Rituale. Timm Ulrichs erklärte sich 1961 selbst zum Kunstwerk und organisierte folgerichtig 1966 eine Selbstausstellung. 1968 bezeichnete er sich öffentlich als »verkanntes Genie aus Hannover«. 1975 kritisierte er den Kunstmarkt und seine Mechanismen mit der Aktion Ich kann keine Kunst mehr sehen. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist die künstlerische Visualisierung von Sprache in Form von Paradoxien, Tautologien und sonstigen Mehrdeutigkeiten. 1996 schuf Ulrichs den Gedenkstein für den Schriftsteller Wolfgang Borchert (1921–1947).

Zugleich Kritiker und Größe des Kunstbetriebs

Timm Ulrichs hatte von 1972 bis 2005 eine Professur an der Staatlichen Kunstakademie Münster inne, 1977 nahm er an der Documenta 6 in Kassel teil. Im Jahr 2018 drehte der Filmemacher Ralf-Peter Post die Dokumentation Der Totalkünstler über Ulrichs und sein Schaffen. Im öffentlichen Raum ist Ulrichs unter anderem mit der Installation Erd-Achse vor dem Magdeburger Hauptbahnhof präsent. Eine große Retrospektive des Künstlers in Hannover trug den Titel Betreten der Ausstellung verboten. Für sein eigenwilliges künstlerisches Schaffen erhielt Timm Ulrichs Preise und Auszeichnungen, so 1985 den Will-Grohmann-Preis der Berliner Kunstakademie und den Defet-Preis des Deutschen Künstlerbundes sowie im Jahr 2020 den Käthe-Kollwitz-Preis für sein Lebenswerk. Seit 2008 ist er mit der Künstlerin Ursula Neugebauer (*1960) verheiratet.

Timm Ulrichs lebt und arbeitet in Berlin, Hannover und Münster.