László Moholy-Nagy - Portrait Ellen Frank - image-1

Lot 22 Dα

László Moholy-Nagy - Portrait Ellen Frank

Auktion 1012 - Übersicht Köln
24.05.2013, 00:00 - Photographie
Schätzpreis: 20.000 € - 25.000 €
Ergebnis: 52.460 € (inkl. Aufgeld)

Vintage, Gelatinesilberabzug mattglänzend. 27,8 x 19,5 cm (29,9 x 23 cm). Rückseitig mit Photographenstempel ’foto moholy-nagy‘, dem Stempel ’PÍSEK 110‘, Nummernstempel ’3855‘ sowie von fremder Hand mit Buntstift unleserlich bezeichnet.

Die Aufnahme entstand mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum gleichen Zeitpunkt wie das vielfach publizierte „Portrait Ellen Frank“ (siehe Abb. unten), das die Dargestellte aus ähnlicher Nähe, dabei aber in einer leichten Untersicht zeigt. Dies legen ihr identisches Erscheinungsbild in beiden Bildern, die in leichtem Schwung fallende Haarlocke und ihre in einem dunklen Ton geschminkten Lippen nahe, vor allem aber die ähnliche Beleuchtungssituation, d.h. das von rechts durch ein Fenster einfallende und sich im Auge der Portraitierten spiegelnde Licht. Die bekannte Variante wurde u.a. in dem 1930 von Franz Roh herausgegebenen Buch L. Moholy-Nagy. 60 Fotos veröffentlicht, wo sie mit dem Kommentar „Durch äußerste Nähe höchste Großform“ versehen ist. Die radikale Nahsicht und damit einhergehende Ausschnitthaftigkeit, die starken Hell-Dunkel-Kontraste sowie die leichten Unschärfen in der hier zum Aufruf kommenden Arbeit gehörten zu den bevorzugten und vielfach propagierten Gestaltungsmodi der Photographie des „Neuen Sehens“, deren Hauptvertreter der Künstler und Pädagoge Moholy-Nagy war. Auch auf dem Gebiet des Portraits tritt die reproduktive Funktion der Photographie in den Hintergrund, wird der Apparat zum Mittel „produktiver“, d.h. neue Sichtweisen eröffnender „Lichtgestaltung“ (Moholy-Nagy, fotografie ist lichtgestaltung, in: bauhaus, Heft 1, 1928, S. 2ff.).
Was Moholy-Nagy in diesem Portrait seiner Gefährtin gelingt, ist eine erstaunliche Unmittelbarkeit und Verlebendigung des fixierten Augenblicks. Ellen Frank, von Beruf Schauspielerin und den Umgang mit der Kamera ganz offenbar gewohnt, hat keine Scheu, sich der Nähe des Objektivs auszusetzen, wodurch jede räumliche Distanz aufgehoben wird und wir als Betrachter derart nahe an ihre Physiognomie heranrücken, dass wir Details wie etwa die Poren ihrer Haut wahrnehmen können. Aufgrund des eng gewählten Ausschnitts werden die Konturen ihres Gesichts – Nasenrücken und Augenlider, Haarsträhnen und Brauen, die geöffneten Lippen und die den Mund umspielenden Lachfalten – zu einem dynamischen Geflecht gegeneinander schwingender Linien. Die dadurch hervorgerufene Bewegungsempfindung wird durch eine leichte Bewegungsunschärfe noch verstärkt. Unübersehbar ist der Einfluss des Films auf eine Aufnahme wie diese, ein Medium, mit dem der bewegungsbegeisterte Moholy-Nagy ebenfalls arbeitete und in dem seiner Ansicht nach „alle fotografischen Verfahren ihre Höhepunkt“ erreichten (Moholy-Nagy, Malerei, Fotografie, Film, München 1925, S. 26).
Bei der Portraitierten Ellen Frank (1904 – 1999) handelt es sich um die jüngere Schwester von Ise Gropius, Ehefrau des Architekten und Bauhaus-Direktors Walter Gropius, mit der Moholy-Nagy nach der Trennung von seiner ersten Frau Lucia und vor der Heirat seiner zweiten Frau Sybil zwischen 1929 und 1931 liiert war. In den Zwanziger Jahren hatte sie Engagements an verschiedenen Berliner Theatern, u.a. unter Erwin Piscator an der Volksbühne. Bis ins hohe Alter hinein wirkte sie in deutschen Film- und Fernsehproduktionen mit.

Provenienz

Privatsammlung, Rheinland

Literaturhinweise

Jeannine Fiedler (Hg.), Fotografie am Bauhaus, Ausst.kat. Bauhaus-Archiv Berlin, Berlin 1990, S. 20 mit Vergleichsabb.