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Lot 1007 Dα

Matteo Giovannetti - Katharina von Alexandrien und Antonius Abbas

Auktion 1040 - Übersicht Köln
15.11.2014, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen Alter Meister, Skulpturen
Schätzpreis: 700.000 € - 800.000 €
Ergebnis: 2.656.000 € (inkl. Aufgeld)

Matteo Giovannetti

Katharina von Alexandrien und Antonius Abbas

Tempera auf Holz. Jeweils 64 x 17 cm.

Wenn zwei Tafeln des italienischen, am päpstlichen Hof in Avignon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts tätigen Malers Matteo Giovannetti auf den Markt kommen, von dem kaum mehr als eine Handvoll Gemälde überliefert sind, ist dies auch für die kunstgeschichtliche Forschung eine wichtiges Ereignis.
Wie aus ihrer Provenienz ersichtlich wird, handelt es sich bei den Tafeln aus dem Nachlass des Malers Franz von Lenbach wohl um jene beiden Heiligen, die Raymond de Marle im frühen 20. Jahrhundert noch in München gesehen hat und Matteo Giovannetti zuwies. Die erste, auch photographische Dokumentation der hier vorgestellten Gemälde geht auf einen Verkaufskatalog zurück, in dem sie am 24.-31.Oktober 1900 zusammen mit anderen Werken aus der Sammlung des aus Udine stammenden Grafen Cernazai angeboten wurden (Luisa Vertova 1968). Ob Lenbach die Tafeln auf der Versteigerung Cernazai oder danach aus dem Kunsthandel erworben hat, ist nicht überliefert. Nach seinem Tode am 6. Mai 1904 waren sie jedenfalls Teil seiner bedeutenden Kunstsammlung und wurden bis heute im Familienbesitz gehalten.
Die von Luisa Vertova 1968 erstmals veröffentlichten Tafeln zeigen die Heilige Katharina von Alexandrien als junge Prinzessin und den Heiligen Antonius Abbas als Einsiedler. Die Attribution an diesen schillernden Maler aus Viterbo lässt sich über verschiedene stringente Stilvergleiche mit Giovannettis Freskenzyklen im „Palais des Papes“ in Avignon sowie mit seinen seltenen Tafeln weiter bekräftigen, was zudem durch Details der Werkstattpraxis wie die punzierten Ornamente der Aureolen bekräftigt wird, die teilweise mit dem gleichen Instrument in den Goldgrund gedrückt wurden, wie in anderen Bildern des Malers, so in den beiden Tafeln mit den Heiligen Hermagoras und Fortunatus aus dem Museo Correr in Venedig (Abb. 1).
Aus der Sammlung Cernazai wurden auf der Versteigerung des Jahres 1900 zwei weitere Werke Giovannettis veräußert: zwei Giebelspitzen mit einer Verkündigung, die sich heute im Louvre in Paris befinden (Abb. 2) und eine ins Oval geschnittene Madonna mit Kind, die in Pariser Privatbesitz ist (vgl. Abb. 3). Die genannten Werke waren, wie wir heute annehmen müssen, allesamt Teile ein und desselben Altares, die sich ursprünglich alle im Besitz der Familie Manin in Venedig befanden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat zudemTeodoro Correr die zwei heute in dem nach ihm benannten Museum aufbewahrten Gemälde ebenfalls aus der Sammlung Manin (Galleria Manin) zu Beginn des 19. Jahrhunderts erworben (A. Lenza 2014). Die Heiligen Hermagoras und Fortunatus sind die Schutzpatrone der Stadt Aquileia, was sich als eine interessante Spur für die Identifizierung des Auftraggebers von Giovannettis Flügelalter erwiesen hat. 1334 wurde Bertrando de Saint Geniés, der bis dahin päpstlicher Kaplan in Avignon gewesen war, zum Patriarchen von Aquileia ernannt. Sein Treuhänder in Avignon war danach der ebenfalls aus dem nördlichen Veneto stammende Manino II Manin, und es spricht alles dafür, dass unser Altar in seinem Auftrag gemalt wurde. Immerhin befanden sich bis Ende des 18. Jahrhunderts alle Teile dieses Altares im Besitz dieser Familie, die übrigens den letzten Dogen der Republik Venedig stellte.
Im geschlossenen Zustand war der Altar 92 x 40 cm groß und zeigte unsere beiden Tafeln mit der Heiligen Katharina von Alexandrien links und dem Einsiedler Antonius Abbas auf der rechten Seite. Im geöffneten Zustand war in der Mitte die Madonna mit dem Kind zu sehen, sowie die Heiligen Hermagoras und Fortunatus an den Seiten und darüber die Pariser Giebelspitzen (Abb. 3).
Matteo Giovannetti wurde vermutlich um 1300 in Viterbo geboren. Schon 1322 und nochmals 1328 wird er in päpstlichen Briefen erwähnt. Seine künstlerische Karriere hat sich hauptsächlich in Avignon abgespielt, wo er spätestens seit 1343 nachgewiesen ist, vermutlich aber schon einige Jahre früher dort tätig war. Seit 1346 wird er als Hofmaler des Papstes genannt - wohl als Nachfolger des 1344 verstorbenen Sienesen Simone Martini. Für Papst Clemens VI schuf er die Freskenzyklen der Marzial-Kapelle (1344-46) und der Michael-Kapelle. Für dessen Nachfolger Innozenz VI malte er die Fresken der Johannes-Kapelle (1346-48) und die Propheten im Audienzsaal (1353). Ungefähr aus der gleichen Zeit stammen die Fresken in der Kapelle der Chartreuse von Villeneuve-les-Avignon. Von Giovannettis zahlreich überlieferten Werken auf Holz hingegen ist nur wenig auf uns gekommen: Außer den hier erwähnten Teilen aus dem Flügelalter des Manino II Manin ist nur noch eine Madonna aus der Sammlung Chalandon in Parcieux bekannt, sowie eine Kreuzigung in der Sammlung des Cassa di Risparmio in Viterbo.
Die kunsthistorische Forschung ist sich einig, dass die Tafeln des hier rekonstruierten kleinen Flügelaltars in Giovannettis früher Schaffensphase anzusiedeln sind: und zwar um 1344-46, als nämlich der Maler die Fresken der Marzial-Kapelle schuf, mit denen es deutliche stilistische Übereinstimmungen gibt.
Eine wichtige Referenz für die künstlerische Entwicklung des Malers bei seiner Ankunft in Avignon war zweifellos der elegante Stil Simone Martinis, was gerade in der Annunziata des Louvre sichtbar wird, die augenfällig Simones ebenfalls in Avignon entstandenen kleinen Orsini-Altar rezipiert (Antwerpen, Museum der Schönen Künste). Seinen wachen Sinn und sein augenfälliges Talent für die Naturwiedergabe, die sich gerade im Porträt des Stifters aus dem Correr-Bild zeigt, offenbaren sich generell in seinem Werk, besonders schön aber auch im Antlitz unseres greisen Antonius Abbas und in der eleganten Figur der Heiligen Katharina von Alexandrien, wo wir einen wie ein Hauch über das Haar fallenden Schleier erkennen, der sich in Brusthöhe unter dem roten Mantel faltet. Sein höchst modern anmutendes physiognomisches Interesse ließ ihn Figuren, Gebärden und Kopftypen schaffen, die alle bis dahin geltenden Konventionen sprengten. Dies konnte Giovannetti erst durch die Begegnung mit der Kunst in Avignon erreichen. Und in diesem internationalen Klima in Südfrankreich am päpstlichen Hof wurde er zu dem, was er war, nämlich zu einem der originellsten Maler nicht allein Italiens, sondern Europas. In seiner Kunst finden sich bereits Ingredienzen, die die internationale Gotik im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts ausmachen werden. Beide hier besprochenen, äußerst seltenen Tafeln des Matteo Giovannetti sind zusammen mit ihren Schwestertafeln rare Zeugnisse seiner Malkunst.

Wir danken Herrn Professor Gaudenz Freuler für die wissenschaftliche Unterstützung bei der Bearbeitung dieser Werke und sein ausführliches Gutachten.

Abb. 1: Hl. Hermagoras und Hl. Fortunatus, Museo Correr, Venedig (Photo Fondazione Musei Civici Venezia)
Abb. 2: Verkündigung, Musée du Louvre, Paris (Photo bpk / RMN - Grand Palais / Daniel Arnaudet)
Abb. 3: Rekonstruktion des Altares (Photo Gutachten Prof. Gaudenz Freuler)

Zertifikat

Prof. Dr. Gaudenz Freuler, Zürich 2014.

Provenienz

18. Jh., Galleria Manin, Venedig. - Sammlung Jacopo Danieli, Padua. - Museum Danieli, Zadar. - Sammlung Graf Cernazai, Udine 1859. - Sammlung Franz von Lenbach, München 1900. - Nach seinem Tode 1904 im Besitz seiner Familie bis heute.

Literaturhinweise

R. van Marle: The Development of the Italian Schools of Painting, II, Den Haag 1924, S. 317. - L. Vertova: Testimonianze frammentarie di Matteo da Viterbo. in: Festschrift für Ulrich Middeldorf, Berlin 1968, S. 45-51. - M. Laclotte / D. Thiébaud: L´'École d´Avignon, Paris 1983, S. 32-48, 166-169. - D. Thiébaud: Matteo Giovannetti. In: L`Art gothique siennois, Katalog Avignon 1983, S. 189-190. - E. Castelnuovo: Un pittore Italiano alla corte di Avignone. Matteo Giovannetti e la Pittura in Provenza nel secolo XIV, Torino (2. Ed.) S. 95, Anm. 5. - Alberto Lenza, In: La Fortuna dei Primitivi. Tesori d´Arte dalle colleczioni italiane fra stte- e ottocento. Ausstellungskatalog Florenz 2014, S. 364-365.