Mailänder Schule des späten 15. Jahrhunderts - Bildnis eines Mannes in rotem Gewand, eine Laute und einen Brief haltend - image-1

Lot 1505 Nα

Mailänder Schule des späten 15. Jahrhunderts - Bildnis eines Mannes in rotem Gewand, eine Laute und einen Brief haltend

Auktion 1118 - Übersicht Köln
17.11.2018, 11:00 - Gemälde und Zeichnungen Alter Meister / Skulptur
Schätzpreis: 70.000 € - 80.000 €

Mailänder Schule des späten 15. Jahrhunderts

Bildnis eines Mannes in rotem Gewand, eine Laute und einen Brief haltend

Öl auf Holz (parkettiert). 71,8 x 52,7 cm.
Signiert und datiert unten rechts: Bernardinus de...ivi pinxit 1497.

Dieses Bildnis eines Mannes hat, als es Ende des 19. Jahrhunderts in einer italienischen Privatsammlung auftauchte, die führenden Kenner italienischer Renaissancemalerei beschäftigt. Giovanni Morelli, Adolfo Venturi, Bernard Berenson und Wilhelm Suida und weitere Forscher versuchten, es einem Künstler zuzuschreiben. Es entstammte augenscheinlich der Mailänder Schule, aufgrund der Inschrift „BERNARDINUS DE**IVI PINXIT 1497“ galt Bernardino de´ Conti, neben Ambrogio de Predis, als wahrscheinlichster Kandidat für die Autorschaft. Heute wird es einem anonymen Künstler der Mailänder Schule gegeben, der am Ende des 15. Jahrhunderts tätig war; ein Künstler, der mit den Tendenzen der Florentiner Portraitkunst ebenso vertraut war wie mit den Entwicklungen in Mailand selbst, die vor allem durch Leonardo und seinen Kreis geprägt wurden.
Dargestellt ist ein junger Mann mit langen, leicht gewellten Haaren. Er trägt eine rote Kappe und passend dazu eine rote Jacke, die Ärmel dieser Jacke sind umgeschlagen und zeigen einen kostbaren Pelzbesatz. Sein Gesicht ist im Dreiviertelprofil dargestellt, sein Blick ist nach rechts gerichtet. Er hält eine Laute und trägt in seiner Rechten ein Stück aufgefaltetes Papier. Der Bildraum wird durch das Fenster am rechten Bildrand definiert.
Die Laute in der Hand des Dargestellten sowie die Inschrift „SI COM EI VITIO SOL VITA DESPERA“ verweisen, so viel scheint klar, auf die Liebe als Thema dieses Bildnisses. Es stellen sich jedoch eine Reihe von Fragen: Worum handelt es sich bei dem Stück Papier in der Hand des jungen Mannes? Sind es die Noten eines Stücks, das er für seine Geliebte komponiert hat? Oder handelt es sich um einen Brief an seine Geliebte oder von seiner Geliebten? Fragen stellen sich auch zum Kontext des Porträts: Stellt es ein eigenständiges Männerbildnis dar? Lässt sich hier ein wohlhabender junger Mann als kultivierter Komponist wohlgesetzter Liebeslieder porträtieren? Oder existierte ein Gegenstück, das die Frau darstellt, und wir haben es hier mit einem Ehebildnis zu tun, für das zeitgleiche Florentiner Beispiele existieren. Tatsächlich gibt es eine berühmte Mailänder Referenz für dieses Bildnis: das „Bildnis eines jungen Mannes (Bildnis eines Musikers)“ aus der Biblioteca Ambrosiana in Mailand (Inv.-Nr. 99), das wahlweise Leonardo da Vinci selbst oder der Leonardo-Schule gegeben wird. In diesem Bildnis, ein Jahrzehnt vor dem vorliegenden Werk entstanden, findet man eine Reihe gestalterischer Parallelen: die Dreiviertelansicht des Gesichts, der nach rechts gerichtete Blick, die halbfigurige Wiedergabe sowie das Stück Papier in der Hand - auf dem Noten eines nicht identifizierten Musikstücks zu sehen sind.

Provenienz

C. Benigno Crespi, Mailand. – Achillito Chiesa, Mailand. – D'Abri, Paris. – Jacques Goudstikker, Amsterdam 1928. – NS-verfolgungsbedingt entzogen, 1940. – Restitution an die Erben nach Jacques Goudstikker, 2006. – Auktion Christie´s, New York, 19.4.2007, Lot 6. – Europäische Privatsammlung.

Literaturhinweise

Giovanni Morelli: Della pittura Italiana. Studi Storico-Critici, Le Gallerie Borghese e Doria Pamphili in Roma, Rom 1897, S. 194. – Adolfo Venturi: La Galleria Crespi in Milano, Mailand 1900, S. 255-257. – Bernard Berenson: North Italian painters of the Renaissance, London & New York 1907, S. 198. – Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Ulrich Thieme u. Felix Becker, Leipzig 1907-1950, Bd. XII, S. 332. – Wilhelm Suida: Leonardo da Vinci und seine Schule in Mailand, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft, XII (1919), S. 276. – Raimond van Marle: La pittura all'esposizione d'arte antica italiana di Amsterdam, in: Bolletino d'Arte, XXVIII (1934/5), S. 455. – C. Wright: Paintings in Dutch Museums, Amsterdam 1980, S. 538.- A.T. Fiorio: Per il ritratto lombardo: Bernardino de' Conti, in: Arte Lombarda, LXVIII/9, 1984, S. 39, 49, Fußnote 9. – K. Dirkx: 'Bernardinus de ...ivi ...pinxit', in: Bonnefans, Bulletin van de Vereniging van Vrienden van het Bonnefantenmuseum, V, Nr. 1-2, 1989, S. 14-15, m. Abb. – W. Angelelli et al.: Pittura dal Duecento al primo Cinquecento nelle fotografie di Girolamo Bombelli, Mailand 1991, S. 133, m. Abb. – Old Master Paintings: An illustrated summary catalogue, Rijksdienst Beeldende Kunst (The Netherlandish Office for the Fine Arts), Den Haag 1992, S. 336, Nr. 2975, m. Abb. – C. E. De Jong-Janssen in D. H. van Wegen (Hg.): Catalogue of the Italian paintings in the Bonnefantenmuseum, Maastricht 1995, S. 140-1, Abb. 69, Tafel 32; S. 173 u. 183, Tafel 82.

Ausstellung

Amsterdam, Stedelijk Museum, Italiaansche kunst in Nederlands bezit, 1934, Nr. 83, m. Abb. – Bonnefantenmuseum, Maastricht, Leihgabe bis 2006.