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Lot 13 D

Hermann Max Pechstein - Stillleben mit Pfeife. Palau-Mädchen

Auktion 1247 - Übersicht Köln
04.06.2024, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 600.000 € - 800.000 €
Gebot

Hermann Max Pechstein

Stillleben mit Pfeife. Palau-Mädchen
1917

Öl auf Leinwand, doppelseitig. 70,7 x 80,5 cm. Gerahmt. Das Stillleben unten rechts schwarz monogrammiert 'HMP' (ligiert) und datiert '1917', die Figurenszene unbezeichnet. Auf dem Keilrahmen betitelt 'Stilleben mit Pfeife'. - In sehr guter, originaler Erhaltung.

Die Südsee ist das zentrale Thema im Schaffen von Max Pechstein - mit diesem doppelseitigen Meisterwerk kommen zwei Gemälde seiner berühmten Palau-Werkphase zugleich zum Aufruf.

Die im Jahr 1914 unternommene Reise Pechsteins auf die mikronesische Inselgruppe Palau war für das Leben und Wirken des Künstlers von nicht zu überschätzender Bedeutung. Die dort gesammelten Eindrücke und Inspirationen sollte er bis in sein Spätwerk hinein verarbeiten.
Schon früh bestimmte die Faszination für die exotischen Kulturen Asiens und Afrikas das Schaffen Pechsteins. Mit dem Ziel, sich für die Dauer von zwei Jahren aus der europäischen Zivilisation zu verabschieden, die ihm kalt und beengt erschien, schiffte sich der Künstler gemeinsam mit seiner Ehefrau Lotte im Mai 1914 auf einem Luxusdampfer der Norddeutschen Lloyd in Richtung Palau ein. Diese Inselgruppe im Westpazifik gehörte seit 1899 zum deutschen Kolonialbesitz. Ermöglicht wurde die Reise durch die finanzielle Unterstützung seines Galeristen Wolfgang Gurlitt, dem er im Gegenzug die Rechte auf die in Palau entstehenden Kunstwerke zusicherte. Nach Zwischenstation u.a. in Hongkong erreichte das Ehepaar im Juni 1914 Palau (siehe Vgl. Abb.). Nach einem ersten Aufenthalt auf einer bereits stark industriell geprägten Insel reisten sie weiter auf die noch idyllisch erhaltene Insel Koror, hier bezogen die Pechsteins ein nicht mehr genutztes Versammlungshaus der Einheimischen.
Unbefangen tauchte Pechstein in den Reichtum der tropischen Natur und das Leben der indigenen Bevölkerung ein. „Selbst unter einfachen Menschen und mit der Natur aufgewachsen, finde ich unschwer ein Verhältnis zu dieser Fülle neuer Eindrücke. […] Aus tiefstem Gefühl der Menschengemeinschaft konnte ich mich den Südseeinsulanern brüderlich nähern. […] Die wundervollste Einheit fühle ich um mich und atme sie in grenzenlosem Glücksgefühl.“ (Max Pechstein, zit. nach: Moeller, Werke aus dem Brücke-Museum, op. cit. S. 16). Wie auch schon während seiner Nidden-Aufenthalte, bei denen er enge Kontakte mit den Fischern pflegte, strebte Pechstein in Palau das unmittelbare Zusammenleben mit den Einheimischen an. Ihr Leben erschien ihm noch im Einklang mit der Natur zu stehen, er idealisierte ihre Ursprünglichkeit und Freiheit. Dabei schloss er die Veränderungen und Eingriffe, die Kolonialisierung, Industrialisierung und Missionierung bereits bewirkt hatten, weitgehend aus seiner Wahrnehmung aus. Vor allem in Bleistift- und Rohrfederzeichnungen hielt er die vielfältigen Eindrücke vom Leben in Palau fest, auch einige Gemälde und Holzskulpturen entstanden.
Jedoch bescherte der Ausbruch des I. Weltkrieges dem Aufenthalt in seinem Südsee-Idyll nach bereits vier Monaten ein jähes Ende. Die Inselgruppe wurde von Japan besetzt, wodurch auch die wohlwollende Stimmung der Einheimischen den Pechsteins gegenüber umschwang. Gemeinsam mit anderen deutschen Siedlern mussten sie die Inseln verlassen, etliche dort entstandene Werke Pechsteins gingen verloren. Für wenige Tage kamen sie in japanische Gefangenschaft, ehe ihnen eine langwierige Rückreise nach Europa ermöglicht wurde.
Zurück in Berlin, wurde der Künstler sofort zum Kriegsdienst eingezogen und an der Westfront in Flandern eingesetzt. Anfang 1917 konnte er nach seiner Freistellung nach Berlin zurückkehren und sich nun endlich intensiv den auf Palau gewonnenen Eindrücken widmen. Dies tat er in dem Refugium seiner Atelier- und Wohnräume, die er nicht nur mit exotischen Kunstgegenständen, sondern auch mit selbstgefertigten Wandgemälden mit Palau-Motiven ausstattete.
Pechstein knüpfte bildnerisch zum einen an die vor 1914 entstandenen Stillleben an, in die er bereits afrikanische, asiatische und ozeanische Figuren und Gebrauchsgegenstände integriert hatte. Zum anderen schuf er sorgfältig durchkomponierte Figurenbilder, die die indigenen Bewohner von Palau in ihrer Alltagswelt zeigen.
Unser außergewöhnliches doppelseitiges Werk vereint beide Themenkomplexe. Die „Palau-Mädchen“ beruhen auf Skizzen und Erinnerungen des Südsee-Aufenthalts. Pechstein griff sehr ähnliche Figuren-Motive aus seinem Repertoire mehrfach auf und verarbeitete sie in unterschiedlichen Kompositionen. Die anmutige Szene von jungen Frauen, die ein Kanu entladen, findet sich nahezu identisch auch in dem Gemälde „Ankunft“ (Soika 1917/70). Unsere Fassung war offenbar als größer angelegte Darstellung geplant, wie der motivische Anschnitt im rechten Bildrand zeigt. Pechstein bediente sich bei seinen in Palau angesiedelten Motiven einer stilisierten Bildsprache. Er nahm damit Bezug auf die figurative Kunst der Einheimischen, die er bereits lange vor seiner Reise anhand von Exponaten im Dresdner Museum für Völkerkunde kennengelernt hatte – vor allem die dort ausgestellten geschnitzten und bemalten Balken aus einem palauischen Versammlungshaus mit ihren kantigen Figurenfriesen riefen bei ihm und bei seinem Künstlerkollegen Ernst Ludwig Kirchner große Faszination hervor (siehe Vgl. Abb.). Der in warmen Farbtönen ausgeführte grazile Reigen der arbeitenden Frauen spiegelt die friedvollen, paradiesischen Zustände wider, die Pechstein in Palau zu finden gehofft hatte.
Das „Stillleben mit Pfeife“ besticht durch seinen spontan-temperamentvollen Farbauftrag, durch den es sich von anderen Stillleben dieser Zeit abhebt. Die Schrägstellung des Tisches und die Vielzahl der darauf dargestellten Gefäße bewirkt eine starke Dynamisierung. Der bunt bemalte Fächer bildet - wie auch in mehreren anderen Stillleben dieser Zeit - den farbkräftigen Hintergrund. Pechstein führte dessen intensives Orangerot, Hellgelb und Blau auf die anderen Gegenstände über und erreichte damit einen lebhaften, aber harmonisch in sich geschlossenen Farbraum von ungemein kraftvoller Wirkung. Die titelgebende Pfeife, die der passionierte Raucher auf dem Kästchen vorne links platzierte, ist ein Bildelement mit starkem persönlichem Bezug, welches auch etliche seiner Selbstporträts prägt.
Das Jahr 1917 stand thematisch ganz im Zeichen der Südsee-Motive, doch sie sind „weder ein Abbild der traditionellen palauischen Kultur noch der kolonialen Wirklichkeit vor Ort. Stattdessen haben die Palau-Gemälde weitaus mehr mit den Bedürfnissen, Sehnsüchten und Projektionen des Künstlers und seines Berliner Publikums im vierten Jahr des Ersten Weltkriegs zu tun“, schreibt Aya Soika (in: Max Pechstein. Die Sonne in Schwarzweiss, Ausst. Kat. Museum Wiesbaden 2024, S. 108).
Palau war für Max Pechstein ein lebenslanger Sehnsuchtsort, dessen Suggestionskraft für ihn nach den grausamen Erfahrungen des I. Weltkrieges eine noch größere Bedeutung bekam. Noch in den 1950er Jahren griff er das Thema in zahlreichen Werken wieder auf.
Unser doppelseitiges Gemälde vereint eindrucksvoll und in vollendeter malerischer Ausdruckskraft die ungebrochene Faszination für sein Südsee-Paradies und den von Erinnerungen geprägten Rückzugsort, den sich der Künstler in seinem Berliner Atelier geschaffen hatte.

Werkverzeichnis

Soika 1917/6. Soika 1917/71

Provenienz

Atelier des Künstlers, bis April 1918; Kunstsalon Fritz Gurlitt, Berlin, seit Juni 1918; Europäische Privatsammlung; Christie's London, Impressionist and Modern Paintings and Sculpture, 30. November 1987, Lot 50; Privatsammlung Deutschland; Sotheby's München, 8. Juni 1988, Lot 43; Privatsammlung; Sotheby's London, Impressionist & Modern Art Evening Sale, 3. Februar 2015, Lot 41; Privatsammlung Deutschland

Literaturhinweise

Paul Kraemer, Pechstein-Ausstellung bei Gurlitt, in: Die Elegante Welt, Jg. 7, Heft 14, 3. Juli 1918, mit Abb. S. 13 (Stillleben mit Pfeife); Georg Biermann, Max Pechstein (Junge Kunst Bd. 1), Leipzig 1919, mit Abb. o. S. (Stillleben mit Pfeife); Magdalena M. Moeller, Max Pechstein - Pionier der Moderne, Ausst. Kat. Brücke-Museum Berlin 2015, S. 211 mit Farbabb. (Palau-Mädchen)

Ausstellung

Berlin 1918 (Kunstsalon Fritz Gurlitt), Max Pechstein, Teil 1: Bildnisse, Landschaften, Stilleben, Kat. Nr. 9; Hannover 1918/1919 (Kestner-Gesellschaft), XXI. Sonderausstellung: Junge Berliner Kunst. Gemälde, Graphik, Plastik, Kat. Nr. 45 (Stillleben mit Pfeife); Darmstadt 1919 (Städt. Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe), Kunst des Jahres, Kat. Nr. 163 (Stillleben mit Pfeife); Berlin/Tübingen/Kiel 1996/1997 (Brücke-Museum/Kunsthalle Tübingen/Kunsthalle zu Kiel), Max Pechstein - Sein malerisches Werk, S. 58, S. 381, Kat. Nr. 91 mit Farbabb. (Stillleben mit Pfeife)