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Lot 34 D

Max Ernst - Les antipodes du paysage (Die Antipoden der Landschaft)

Auktion 1247 - Übersicht Köln
04.06.2024, 18:00 - Moderne und Zeitgenössische Kunst - Evening Sale
Schätzpreis: 150.000 €
Ergebnis: 189.000 € (inkl. Aufgeld)

Max Ernst

Les antipodes du paysage (Die Antipoden der Landschaft)
1954

Öl auf Holz. 26,9 x 35,3 cm. Gerahmt. Unten rechts schwarz signiert 'max ernst'. Rückseitig signiert, datiert und betitelt 'Les antipodes du paysage max ernst 1954'. - In guter, farbfrischer Erhaltung. Minimale Randretuschen.

Die Sammlung Peter Schneppenheim

Mit sechs Arbeiten von Max Ernst, drei Gemälden, einer Plastik (Lots 32-35) und zwei Arbeiten auf Papier (Lots 211, 212, Auktion 1248, 5. Juni 2024), kommen ausgewählte Werke aus einer der bedeutendsten und umfangreichsten Sammlungen des deutsch-französischen Künstlers – die Sammlung Schneppenheim – zum Aufruf. Initiator dieser Sammlung war der Kölner Arzt Dr. Peter Schneppenheim (1926-2021), der die Werke über Jahrzehnte auf dem nationalen und internationalen Kunstmarkt zusammengetragen hatte. Dem beharrlichen und konstruktiven Engagement des Sammlers ist 2005 auch die Gründung des Max Ernst-Museums in dessen Heimatstadt Brühl zu verdanken. Seine umfänglichen grafischen Bestände, die illustrierten Bücher und ausgewählte Gemälde bildeten den Grundstock des einmaligen Künstlermuseums.
Peter Schneppenheim war fast zwei Dekaden leitender Chefarzt im Heilig-Geist-Krankenhaus in Köln-Longerich. Ausgleich und Erfüllung fand er sowohl in der Musik und als auch in der Kunst, namentlich in den Werken des 1891 in Brühl geborenen Malers, Grafikers und Bildhauers Max Ernst, dessen Schaffen ihm in Brühl und in Köln schon häufiger begegnet war. Eines der ersten Werke, das er bewusst wahrgenommen hatte, und bei dessen Betrachtung er sofort schmunzeln musste, war die Collage „C’est le chapeau qui fait l’homme“ von 1920. Das Schlüsselerlebnis zum Erwerb von dessen Werken war aber die erste namhafte, deutsche Retrospektive 1951 im Schloss Augustusburg in Brühl. Schneppenheim war sofort von der Vielfalt der Bildthemen und Techniken fasziniert: „Bei meiner Begeisterung für die ungewöhnlichen, bis dahin nie gesehenen Kunstwerke, wohl auch euphorisch beflügelt nach soeben bestandenem Staatsexamen, kam mir die Idee, nun selbst Bilder dieses Künstlers zu erwerben – beim Salär eines jungen Medizinalassistenten zunächst ein verwegener Wunschtraum, bis es zu ersten Arbeiten auf Papier reichte.“ (zit. nach: Max Ernst. Graphische Welten, Ausst. Kat. Brühl 2004, S. 10).
Die anfängliche Begeisterung für Max Ernst ließ bei Schneppenheim nicht nach – ganz im Gegenteil, die zunehmende Beschäftigung mit dessen Lebensstationen und Schaffen, mit dessen innovativen Bildtechniken und literarischem Horizont führte mit der Zeit zu systematischen Ankäufen mit dem Ziel, das grafische Schaffen möglichst lückenlos abzudecken. Der Ankauf von überwiegend grafischen Arbeiten war – zumindest zu Anfang – eine bewusste Entscheidung. Schneppenheim bewies von Beginn an ein bestechend gutes Auge für Qualität und Einzigartigkeit und wählte die zentralen Werke Ernsts auf Papier aus. Im Jahr 1968 entschied er sich erstmals auch für den Kauf eines Ölgemäldes und erwarb die hier zum Aufruf kommende Landschaft „Les antipodes du paysage“ (Lot 34), die ihm der renommierte und auf Max Ernst spezialisierte Galerist Fritz Valentien in Stuttgart vermittelte. Bedeutsam ist dieses Gemälde auch, weil es den Ausgangspunkt für den thematischen Schwerpunkt der Sammlung auf Landschaften bildete.
Ein besonderes Ereignis der 1970er Jahre war die persönliche Begegnung Schneppenheims mit Max Ernst und seiner Frau Dorothea Tanning anlässlich einer Rheinfahrt 1971, die das Kölner Galeristenpaar Hein und Eva Stünke für den Künstler und seine Kunden organisiert hatte. Bis zum Tod von Max Ernst am 1. April 1976 konnte die Sammlung mit substanziellen Arbeiten erweitert werden.
Ein Höhepunkt für Schneppenheim war die erste öffentliche Ausstellung seiner Sammlung 1990 im Museum Ludwig in Köln. 2001 erwarb die Kreissparkasse Köln die graphischen Bestände der Sammlung, die Teil der „Stiftung Max Ernst“ wurden. Vier Jahre später erfüllte sich mit der Eröffnung des Max Ernst Museums in Brühl für den Sammler ein „lebenslanger Wunschtraum“.
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Les antipodes du paysage (Die Antipoden der Landschaft)

Das erste und bedeutendste Gemälde aus der Sammlung Schneppenheim, welches das phantastische Thema der Antipoden-Serie weiterführt

Die Beschäftigung von Max Ernst mit dem Topos der Antipoden begann 1936 mit einer kleinen Werkserie, die er „Aux antipodes du paysage“ betitelte (Spies/Metken 2255-2258). Die Gemälde dieser Serie zeigen unwirtliche Felsenlandschaften unter einem gelblich beleuchteten Himmel, bevölkert nur im Vordergrund von einzelnen menschlichen Figuren oder rätselhaften Mischwesen. Grundlage für diese mysteriösen Darstellungen ist die von der Antike bis in die frühe Neuzeit strittig diskutierte, mythische Vorstellung von den sogenannten Antipoden - Menschen, die auf der unerforschten Unterseite oder Gegenseite der Erdkugel leben. Max Ernst machte sich diese überkommene Vorstellung künstlerisch zu eigen und spekulierte in seiner Werkserie darüber, wie jene verborgene und für uns lebensfeindliche Gegenwelt aussehen könnte - die Phantasie als Antipode der Realität.
1954 griff Ernst das Thema mit „Les antipodes du paysage“ erneut auf. Es war das erste Ölbild, das im Jahr 1968 Eingang in die Sammlung Schneppenheim fand. In diesem Werk setzte der Künstler das Thema deutlich freier und abstrakter um als noch zwanzig Jahre zuvor und nutzte dabei maßgeblich die von ihm in den 1920er Jahren selbst entwickelten Techniken der Grattage und der Décalcomanie.
Glühendes Rot und tiefes Schwarz bestimmen das Bild und lassen Assoziationen an Lava und Glut aufkommen. Über dem felsig ausgezackten Grund im unteren Bildviertel erhebt sich eine schwarze Fläche, vor der sechs rätselhafte, organische Objekte zu schweben und aus sich selbst heraus zu leuchten scheinen. Die drei mittleren roten Erscheinungen erinnern in ihrer krustigen, vielfach geschichteten Gestalt an Organismen der Tiefsee. Die drei weiteren Objekte aus zarten roten Linien und grünlich schimmernden Flächen vermitteln in ihren elliptischen Formen den Eindruck flüchtiger Lichterscheinungen. Max Ernst schuf mit diesem Gemälde eine Szenerie von magischer Tiefe und Leuchtkraft, die in der ewigen Schwärze der Tiefsee genauso verortet werden könnte wie in den kosmischen Phänomenen eines nächtlichen Himmels.

Werkverzeichnis

Spies/Metken 3055

Provenienz

Galerie Valentien, Stuttgart; Sammlung Dr. Peter Schneppenheim, Köln; bis Anfang 2024 als Dauerleihgabe im Max-Ernst-Museum Brühl

Literaturhinweise

Gemälde, Graphik, Plastik, Katalog Nr. 1, Galerie Valentien, Stuttgart 1968, Farbabb. S. 23

Ausstellung

Stuttgart 1968 (Antiquariatsmesse, Gustav Siegle-Haus); Mülheim 1969 (Städtisches Museum, Schloss Styrum), Max Ernst. Farbige Zeichnungen, Frottagen und Graphik, Kat. Nr. 1; Brühl 2013 (Max Ernst Museum des LVR), Das 20. Jahrhundert - Werke von Max Ernst aus der Schneppenheim-Stiftung, S. 80/81 mit Farbabb., S. 166 f.