Lot 52 Dα

Goethe hatte seinen Aufenthalt in Neapel literarisch verewigt, Hackert war dort Hofmaler gewesen, alle jungen Landschaftsmaler wusste also um die künstlerische Bedeutung dieser Stadt, bevor sie nach Italien aufbrachen. Es gab jedoch eine Sache, auf die man sich nicht vorbereiten konnte, und das war die Überwältigung, die ihn überkam, sobald er zum ersten Mal in die Bucht von Neapel einfuhr. So erging es auch dem jungen Oswald Achenbach:
„Erzählte mein Vater von seiner ersten Ankunft in Neapel, so begeisterte er sich immer aufs neue [sic!]. „Nie“, sagte er, „vergesse ich den Eindruck, den ich empfing, als ich zum ersten Male im Hafen von Neapel landete! Kein späteres Bild hat die Erinnerung an diese überwältigende Herrlichkeit erreichen können. Der Himmel, der Strand, das Meer, der Vesuv hatten eine Färbung, die ich nirgendwo anders gesehen.“ (Caecilie Achenbach: Oswald Achenbach in Kunst und Leben, Köln 1912, S. 12.)
Es lag somit nahe, dass die Ansichten Neapels für Oswald Achenbachs zu einem zentralen Thema seiner Kunst wurden. Die Stadt bot ihm alles, wonach ein Landschaftsmaler wie er suchte: Eine sanft geschwungene weite Bucht; ein Vulkan, der in der Ferne majestätisch aufragte und zuweilen aktiv wurde; zudem malerische Plätze und Gassen, die bevölkert waren von Fischern, Händlern, Handwerkern und Spaziergängern. Achenbach hat sie alle hier an der Bucht versammelt, wo die Fischer den Tag bei der Aufführung eines Puppentheaters ausklingen lassen. Der Blick wandert entlang der breiten Küste in die Tiefe, bis sich die Menschen und Häuser in kleine flimmernde Farbtupfer auflösen. Am Horizont zeigt sich der Vesuv mit seinen beiden Gipfeln, über denen die Abendsonne leuchtet, die alles in ein pudriges Rot taucht, in diese „Färbung, die ich nirgendwo anders gesehen.“